Meine Motivation:

Hoffnung bringen

Bevor ich mich mit dem Thema Prostitution näher befasst habe, war es für mich ein verruchtes Metier, eine Art verbotener Bereich, von dem ich mich lieber fernhalten sollte und worüber niemand sprach. Es war nicht so, dass ich schlecht über prostituierte Frauen gedacht hätte. Ich habe diesen Bereich einfach völlig ignoriert und ihn erst gar nicht als etwas betrachtet, wo man in irgendeiner Art „helfen“ könnte oder sollte. Dieses Denken hat sich schlagartig geändert, als ich anfing mich gegen Menschenhandel einzusetzen und in dem Zuge erfahren habe, wie eng Prostitution mit Menschenhandel verbunden ist.

Die Erkenntnis, dass die meisten (mittlerweile würde ich sogar sagen: fast alle) Frauen in der Prostitution diesen sogenannten „Beruf“ aus unterschiedlichen Zwängen ausüben müssen, war und ist für mich unaushaltbar.

Daher bin ich tätig geworden und setze mich seitdem für die Frauen in der Prostitution ein.

Nach meinem ersten Kontakt zu einer prostituierten Frau,habe ich mich sehr für meine vorherigen Gedanken geschämt. Ich kann nicht einmal genau sagen, was ich erwartet habe, doch bestimmt nicht eine so tolle und nette Frau anzutreffen, die sich unglaublich darüber gefreut hat, dass wir sie besucht haben. Wir hatten einfach ein schönes Gespräch unter Frauen.

Viele der Frauen sind weit weg von ihren Familien und Freunden im Ausland, haben hier kaum oder keine Kontakte und sind daher sehr einsam.

Es hat mir bei ihr und auch bei allen anderen Frauen, die ich danach treffen durfte, jedes Mal das Herz gebrochen, wenn sie sich geöffnet und uns ihre Geschichte erzählt haben.

Egal welches Schicksal die Frauen in die Prostitution treibt – sie tuen es nie, weil es einfach ein guter Job ist oder sie es toll finden sich zu prostituieren. Dieser „Beruf“ wird immer aus irgendeinem Zwang ausgeübt – finanzieller, emotionaler oder physischer Art.

Die Geschichten sind traurigerweise fast immer die gleichen. Viele Frauen kommen aus sehr armen Verhältnissen im Ausland nach Deutschland, um ihre Familien und vor allem ihre Kinder mit dem in Deutschland verdienten Geld versorgen zu können. Einige von ihnen kommen mit dem Ziel in der Prostitution zu arbeiten nach Deutschland, da sie dazu keine Ausbildung oder Deutschkenntnisse benötigten. Andere kommen her, da ihnen eine Arbeit in einem Café oder einem anderen Betrieben zugesichert wurde. Bei ihrer Ankunft jedoch stellte sich das „Café“ als Bordell heraus. Einige andere Frauen, die uns zu Beginn erzählten, dass sie freiwillig als prostituierte Frau arbeiten würden, eröffneten uns nach einigen Besuchen und, nachdem wir vertrauen zu ihnen aufbauen konnten, dass sie durch einen damaligen Partner in die Prostitution gedrängt wurden – sie wurden Opfer der Loverboy-Methode.

Es macht mich nicht nur traurig, sondern auch oft genug wütend, dass wir in so einem privilegierten Land leben und diese Frauen völlig vergessen werden.

Es wird einfach hingenommen, dass sie ihre Körper verkaufen müssen, weil sie keine Wahl haben. Und als wenn das nicht schon schlimm genug wäre, erleben die Frauen dabei unglaubliche Gewalt und Erniedrigungen.

Die größte Lüge, die in vielen Gesprächen mit Freunden und Bekannten immer wieder offensichtlich wird, wenn ich über die aufsuchende Arbeit spreche ist, dass die Frauen „es“ vermeintlich freiwillig machen. Diese Aussage macht mich teilweise fast wahnsinnig!

Wenn prostituierte Frauen, oder sogenannte „Sexarbeiterinnen“ – in der Regel in Deutschland gebürtige Frauen – in der Öffentlichkeit auftreten, verbreiten sie das Bild der glücklichen und selbstbestimmten Frau in der Prostitution. Diese Art von „Sexarbeiterinnen“ habe ich jedoch nie in den Wohnungsbordellen oder Großbordellen angetroffen. Dort finden sich primär unglückliche und häufig auch verschüchterte Frauen – und in unserer Stadt hauptsächlich gebürtige Rumäninnen und Bulgarinnen – die uns von ihren Familien in der Heimat erzählen und wie sie darauf hinarbeiten sich endlich nicht mehr prostituieren zu müssen und zurück zu ihren Familien ziehen zu können.

Auch diese Frauen erzählten uns zunächst, dass sie dieser Arbeit freiwillig nachgehen würden. Jedoch habe ich mittlerweile genug Frauen getroffen, um sagen zu können, dass dies in den meisten Fällen einfach nicht stimmt! Prostitution, die aus finanziellem Zwang stattfindet, passt nicht mit Konsens zu sexuellen Handlungen überein. In jedem anderen Fall sind sexuelle Handlungen, die unter Zwang stattfinden, Missbrauch. Daher hat diese „Freiwilligkeit“ nichts mit der Freiwilligkeit zu tun, wie wir sie zunächst verstehen.

 

Meine größte Hoffnung jedoch ist eine langfristige Änderung!

Das Schicksal dieser hunderttausenden von Frauen motiviert mich weiterzumachen. Ich möchte diesen Frauen akut helfen, wenn sie konkrete Anliegen haben und nicht wissen an wen sie sich hier wenden können. Meine größte Hoffnung jedoch ist eine langfristige Änderung. Diesen Frauen kann nur geholfen werden, wenn sie eine Ausbildung, Sprachkurse, Schutz für sich und ihre Familien und weitere Hilfen erhalten, die ihnen ermöglichen in Bereichen zu arbeiten, die sie sich wirklich freiwillig aussuchen und die nicht von Gewalt und ungewollter Penetration ihres Körpers geprägt sind. Daher setze ich mich für die Umsetzung des nordischen Modells bei uns in Deutschland ein, das genau diese Hilfen ermöglichen soll, und möchte bis dahin den Frauen eine so gute Stütze sein wie ich es leisten kann.

Unser Ziel in der aufsuchenden Arbeit ist es, den Frauen zu zeigen, dass sie gesehen werden, dass sie wertgeschätzt sind und keinesfalls vergessen. Unsere größte Hoffnung ist es ihr Vertrauen zu gewinnen und dass sie erkennen, dass wir sie unterstützen, ihnen helfen und auch eine Freundin sein möchten – was auch immer sie gerade benötigen. Unsere allergrößte Hoffnung ist, dass unsere Arbeit irgendwann nicht mehr benötigt wird, da keine Frau aus finanziellen oder anderen Zwängen dazu genötigt ist sich und ihren Körper zu verkaufen.

 

Denn die Würde des Menschen ist unantastbar!